Montag, 6. August 2012

König der Kopfschmerzen

Es gibt viele Gründe, warum man Kopfschmerzen bekommt, doch drei spezielle habe ich in den letzten gut anderthalb Wochen mehrfach erleben dürfen.

Da ist zu allererst mal die fremde Sprache, der Kulturschock, die neuen Gewohnheiten und Herausforderungen. Nach zwei (!) geschlagenen Tagen Wartezeit habe ich endlich meinen Koffer am Flughafen bekommen, bis es so weit war musste wir aber ganz schön heftig beim Flughafenpersonal nachhaken, wenn hier nämlich ein Büro (z.B. das von Delta Airlines) Öffnungszeiten hat heißt das noch lange nicht, dass es auch offen hat. So habe ich im Prinzip meine kompletten ersten zwei Tage in Lima damit verbracht, mir Gedanken um mein Gepäck zu machen und langsam aber sicher das maximal mögliche Odeur aus meiner Kleidung herauszuholen. Als ich dann endlich meine Sachen bekam, durfte natürlich das Siegerfoto nicht fehlen. In der Zwischenzeit lieh mir zum Glück Giancarlo, der Mann von Marcela und damit Schwiegersohn meiner Gastmutter Elena, ein bisschen frische Kleidung und wusch meine Sachen am Samstag in ihrer Wohnung. Dabei opferten die beiden sogar ihren freien Samstag am peruanischen Nationalfeiertag! So richtig befriedigend war das zwar dennoch alles nicht, aber Giancarlo versüßte mir die Zeit ein bisschen mit peruanischem Bier und - ja, und mit meinem ersten Pisco!

 
Glücklich vereint mit meinem Koffer - danke Marcela und Giancarlo!

Yeah, frische Klamotten! 
(Das Model trägt ein Polo von Giancarlo)

Der Pisco ist das Nationalgetränk der Peruaner, es handelt sich um einen Traubenschnaps. Dieser wird in verschiedenen Cocktails verwendet, am bekanntesten ist der Pisco Sour mit Limetten, Zucker und rohem Ei. Wir haben aber erstmal einen pur getrunken, das kommt wohl hier in den letzten Jahren wieder in Mode. Natürlich gibt es auch hier verschiedenste Qualitäten, ich kann nur sagen: Mein erster Pisco war gigantisch! Dagegen kommt nichtmal unser WG-Grappa in Mannheim an ;-) An diesem Tag blieb es dann beim Probieren, einer sehr angenehmen Unterhaltung inkl. der Erklärung, warum Peru toll und Chile doof ist. Eine Woche später habe ich dann festgestellt, dass der Pisco und das Bier hier natürlich auch hervorragende Gründe für Kopfschmerzen sind :)

Pisco und Schnapsgläser mit Beschriftung - fast wie daheim xD

Wir waren dann Sonntags auch erstmal lecker essen, in einer Cevichería in Pueblo Libre. Auch die Ceviche ist integraler Bestandteil der peruanischen, vor allem der limensischen Identität. Und lecker ist sie noch dazu :) Es handelt sich um eine Vorspeise aus rohem, in Limettensaft mariniertem Fisch. Dazu kann dann verschiedenes an Meeresfrüchten oder Gewürzen wie Koriander kommen, am besten hat mir aber die Reinform ohne Extras geschmeckt. Danach sind wir dann noch auf eine Art Stadtteilfest gefahren, haben dort Nachtisch (postres) gegessen und schließlich auch Pisco Sour getrunken. Es sang ein hervorragender Interpret spanische und lateinamerikanische Lieder, die Leute tanzten Gumbia und Merengue und die Sonne schien. So hatte ich mir das schon eher vorgestellt, da kam so richtig Stimmung auf!

Ceviche, Hauptspeise und Inka-Cola... krieg schon wieder Lust

Die Opachen (abuelitos) in Aktion :)

So war also mein erste Wochenende im Rückblick ein voller Erfolg. Montags begann dann mein Sprachkurs, meinen Professor hatte ich freitags zu einem Interview im Einkaufszentrum LarcoMar am Pazifik getroffen und er hatte mich auf niedrigem Fortgeschrittenen-Niveau (avanzado bajo) eingestuft. Das was insofern befriedigend, als dass ich mich dem besseren Kurs anschließen konnte, was ich unbedingt wollte. Jetzt heißt es also ranklotzen und siehe da, nach und nach verschwinden die Probleme. Mittlerweile habe ich sogar abends gar keine Kopfschmerzen mehr wenn ich den ganzen Tag nur Spanisch geredet und gehört habe :)
 
Blick auf eine Insel vor Lima und den Pazifik vom Einkaufszentrum LarcoMar in Miraflores

Dafür erschließt sich mir allerdings auf dem Weg zur Uni jeden Tag eine andere Quelle: Der limensische öffentliche Nahverkehr mit seinem Microbussen! Hier läuft auf der Straße alles anders, das habe ich schon gemerkt als mich Marcela und Giancarlo vom Flughafen abholten und ich eine erste Kostprobe des peruanischen Fahrstils (manera de manejar peruana) erhielt. Man fährt hier Freistil, hupt ständig und Vorfahrt sowie Regeln beim Überholen sind Auslegungssache. Außerdem ist die Straße mit Temposchwellen (jivas) gespickt und man muss dauernd beschleunigen oder verlangsamen. Interessant ist hierbei, dass die Fahrer spürbar weniger aggresiv sind. Wenn man hier die Vorfahrt genommen bekommt oder rechts überholt wird, ist das halt so. Es gibt auch hier Leute die auf ihr Recht bestehen, aber da das schnell böse enden kann fahren die Leute mehr oder weniger rücksichtsvoll. In Deutschland würde so ein chaotisches Verkehrssystem wohl nie funktionieren, weil sich innerhalb von Minuten alle Autofahrer gegenseitig ausgelöscht hätten.

Aber zurück zum Busverkehr: Hier verkehren Unmengen von Kleinbusssen auf verschiedensten Strecken. Die Strecke steht in Form von abgefahrenen Straßennamen außen auf den Fahrzeugen, aber lesen muss man sie nicht, dafür gibt es den Kassiere (cobrador) im Bus. Dieser entlastet den Fahrer insofern, als dass er das Kassieren im Bus übernimmt, der Fahrer kann sich dann auf die Straße und den Verkehr konzentrieren. Allerdings kassiert er nicht nur, sondern ruft auch nahezu ununterbrochen aus dem Bus, wohin er fährt (¡Cuba! ¡Arequipa! ¡Cuba! ¡Arequipa! ¡Larco! ...) , um Fußgänger anzuziehen. Es kann schonmal vorkommen dass er jemanden überzeugt mitzufahren, der vielleicht ganz woanders hinwollte :) Außerdem ist es essentiell, dass die Fahrgäste beim Einsteigen mit "steig ein!" (¡sube! ¡sube!) und beim Aussteigen mit "steig aus!" (¡baja! ¡baja!) dazu angehalten werden, sich zu beeilen. Damit der Bus nicht zu viel Zeit verliert hält er auch gerne mal nicht richtig an oder fährt schon wieder weiter, während noch Leute ein- und aussteigen, also ist auch der Hinweis, man solle den rechten Fuß zuerst aufsetzen (¡pie derecho!), erforderlich. Im Bus selbst läuft meist sehr laute lateinarmerikanische Musik. Die Wagen sind alt und vollkommen mit Sitzbänken überladen, dennoch muss man die meiste Zeit stehen weil sich so viele Menschen darin befinden. Richtig sitzen kann ich auch nicht, weil die Bänke so nah beieinander sind dass meine Beine nicht dazwischen passen. Und beim Einteigen stoße ich mir regelmäßig den Kopf an der niedrigen Decke an. Zusammen mit den Gerüchen der Einkäufe anderer Fahrgäste, der Abgase und der Stadt mischt sich der Lärm der Straße, Musik und Rufe sowie die bunten Aufkleber in den Bussen zu einer unglaublichen Kakophonie der Sinne. Und das Erlebnis kostet meist nur einen Sol pro Fahrt, auf der Kurzstrecke zu Uni sogar nur einen halben. Alles in allem kann ich nur sagen, dass ich allen Ernstes vollkommen begeistert von dieser Art der Fortbewegung bin! Daher macht es mich ein bisschen traurig, dass diese Sicherheitsrisiken auf vier Rädern nach und nach aus dem Stadtbild verschwinden werden. Ab 2013 dürften Busse die älter als 30 Jahre sind nicht mehr fahren - das betrifft 4.000 Fahrzeug in der Metropolregion (Lima Metropolitana)! Bilder habe ich bisher davon noch keine gemacht, aber das folgt noch ;)

Auch erwähnenswert sind die notwendigen Kenntnisse zur Auswahl eines Taxis: Man muss sich hier stets an gewisse Faustregeln halten, in viele Taxen sollte man lieber nicht einsteigen, da es gut vorkommen kann dass ein normales Auto in Sekunden in ein Taxi umgewandelt wird. Diese Privatleute sind oft aber wenig vertrauenswürdig. Wichtig ist, möglichst nicht allein zu fahren, auf ein fest angebrachtes Taxi-Schild auf dem Dach zu achten, sich die an der Seite gut lesbare Fahrzeugnummer aufzuschreiben sowie ein paar andere Sicherheitsmerkmale zu beachten. Es ist immer eine gute Idee, einen Muttersprachler dabei zu haben.

Im Laufe der Woche habe ich trotz all der Kopfschmerzen viel erlebt. Dazu gehört auch, dass ich jede Menge Peruaner, zudem Leute aus Deutschland und Frankreich, aber auch Brasilien, Norwegen, Schweden, Dänemark und der Schweiz kennengelernt habe. Am Donnerstag waren wir im historischen Zentrum von Lima, am Freitag auf verschiedenen Kleinkunstmärkten in Miraflores, auf einer Party in Magdalena del Mar und in einer Kneipe in Barranco. Diese hieß "Circulo" und war so richtig schön surreal, ein bisschen wie in einem kleinen Schuppen in Berlin. Samstags war ich mit Giancarlo im Stadtzentrum unterwegs, er hat mir jede Menge Orte und auch zwei Kneipen gezeigt. Da gibt es so viel zu erzählen, dass ich jetzt gar nicht damit anfangen will, ich berichte lieber in den nächsten Tagen nochmal in einem separaten Eintrag. Die Qunitessent ist aber: Die Peruaner lieben (deutsches) Bier und es gibt tatsächlich Trinkgefäße mit Stein-Ausmaßen - u.a. rituelle Becher der Inkas (kero) und riesigen Bierkaraffen (yarda). Auch hier ist natürlich das Oktoberfest sehr beliebt :) Gestern und heute habe ich dann geschlafen so viel ich konnte, so ein peruanisches Party-Wochenende ist nicht zu unterschätzen ;)

Giancarlo genießt eine Yarda Cristal (Biersorte) in einer Sportbar. Ich hatte meine eigene :)

Fast wie Zuhause xD

Danke für eure vielen Nachrichten und Nachfragen, wenn euch was bestimmtes interessiert schreibt mir doch einfach, dann schreibe ich darüber! Eigentlich wollte ich ja schon früher einen neuen Eintrag erstellen, aber so ist das halt, hier gibt es genug anderes zu tun ;)

1 Kommentar:

  1. Klingt gut, mach so weiter ;) Und vielen Dank fuer die ausfuehrlichen und aufschlussreichen Berichte

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